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KrisenFest - Discurscamp für einen kreativen Aufbruch

Krise schafft Bewegung

15. Mai 2009
Von Jan Engelmann

Von Jan Engelmann

Thüringen geht es gut: Das kulturelle Erbe alter Residenzstädte wie Gotha oder Gera zieht jährlich viele Touristen aus dem In- und Ausland an. Laut Kulturfinanzbericht des Statistischen Bundesamtes gehört Thüringen sogar zu den Bundesländern mit den höchsten Kulturausgaben pro Kopf. Andererseits ist zu beobachten, dass kaum jemand in Thüringen bleibt, dem an spannender Gegenwartskunst oder innovativen Projekten gelegen ist. Während Weimar sich als musealer Hort der Hochkultur gefällt, glaubt Erfurt, fast gänzlich auf zeitgenössische Kunst- und Kulturproduktion verzichten zu können. Statt jungen Kreativen Freiräume für ihre Projekte zu bieten, sponsert man hier lieber große Events zu historischen Jahresthemen. Ein substanzielles Kulturkonzept fehlt.

Eine solche kulturpolitische Strategie ist nicht nachhaltig, weil sie keine lebendigen Strukturen hinterlässt. Nicht zuletzt hat die internationale Diskussion um die „kreative Klasse“ gezeigt, dass Lebensqualität und ökonomischer Aufschwung von Städten untrennbar mit der kulturellen Angebotsseite und der Tolerierung von subkulturellen Aktivitäten verbunden sind. Erst eine spezifische Ortsqualität und eine hohe Kontaktdichte schaffen den urbanen Humus, auf dem sich Kreativität, Kunst und Kultur entfalten können. Die Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass das kreative Potenzial einer Kommune vor allem in ihrer Transformationsbereitschaft liegt.

Soziologen und Stadtplaner sind sich einig: Kulturgetriebener Wandel benötigt einnehmbare Freiräume, die Akzeptanz neuer Wege und vor allem glaubwürdige Schnittstellenakteure in Politik, Verwaltung und Kulturszene, die den Veränderungsprozess moderieren. Intelligente Zwischennutzungskonzepte (wie z.B. das Modell der Wächterhäuser) können dazu beitragen, ein kostengünstiges Experimentierfeld zu schaffen und zugleich auch die Aufwertung vernachlässigter Quartiere befördern. In Regionen, die ein echtes Bekenntnis zur Vernetzung in die Tat umgesetzt haben, zeigt sich eine kreative Aufbruchstimmung. Warum sollte Gleiches nicht für Thüringen gelten, das mit seinen Universitätsstädten ein enormes Potenzial aufweist?

Ein eintägiges Diskurscamp der Heinrich-Böll-Stiftung will danach fragen, was sich Thüringer KünstlerInnen und Kreative für eine Verbesserung der Situation wünschen. Im Dialog mit PolitikerInnen und WissenschaftlerInnen soll eine Bestandsanalyse vorgenommen und zukünftige alternative Wege skizziert werden. Verstehen sich Weimar, Jena und Erfurt überhaupt als Wohn- und Wirkungsorte für kreatives Schaffen? Wie wird die "Impulsregion" Thüringen mit Leben gefüllt, welchen Vernetzungsgrad gibt es bereits? Wo existieren gelungene Initiativen, wo gibt es Bedarf nach weitreichenden Visionen? Ein Markt der Ideen soll entstehen, der die Chancen für einen kreativen Aufbruch in Thüringen aufzeigt.

Diskutiert wird in den Räumen der Peterskirche auf dem Erfurter Petersberg in Talkrunden, Fishbowl und Worldcafé mit Dr. Friedrich Gnad (Büro Stadtart), Katrin Göring-Eckardt (Bundestagsvizepräsidentin Bündnis 90/Die Grünen), Monique Förster (Kunsthaus Erfurt), Christin Bahnert (Theaterhaus Jena), Gerhard Joksch (Raumplaner, Münster) u.v.m. Künstlerische Zwischenstimmen erheben Ralf Rudolfy (freier Autor) und Janek Müller (Theaterhaus Jena). Einen künstlerisch-kreativen Ausklang im Kunsthaus Erfurt bietet das Improvisationstheater Rababakomplott.

Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie im Kalender: KrisenFest – Diskurscamp für einen kreativen Aufbruch, 5. Juni 2009